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So gelingt die virtuelle Organisation auch langfristig.

15.04.2021

Bedingt durch die Corona-Pandemie hat die Digitalisierung in vielen Unternehmen Quantensprünge vollzogen: Virtuelle Organisationen sind längst nicht mehr nur in der Tech-Branche zu finden oder reine Zukunftsmusik. Doch was bedeutet diese neue Realität langfristig für die strategische Ausrichtung der Unternehmen? Ein grundlegendes Umdenken ist geboten, sagt Change-Expertin und processline Geschäftsführerin Jennifer Reckow im Interview.

FRAU RECKOW, REMOTE-WORK, HOMEOFFICE UND CO. SIND LÄNGST KEINE SELTENHEIT MEHR. IST DER WANDEL ZUR VIRTUELLEN ORGANISATION IN DEN MEISTEN UNTERNEHMEN BEREITS VOLLZOGEN?

IT-seitig hat sich hier tatsächlich viel getan. Heute sind in vielen Unternehmen die meisten Daten zentral verfügbar und damit immer aktuell. Alle können ortsunabhängig von überall darauf zugreifen. Es gibt zahlreiche digitale Wege, um miteinander zu kommunizieren, interne Dienstreisen sind somit nicht mehr notwendig. Das wirft jedoch auch wieder neue Fragestellungen auf: Ist die Datensicherheit gewährleistet? Haben die Mitarbeitenden zu Hause überhaupt die Räumlichkeiten, um gut arbeiten zu können? Ist die nötige Bandbreite vorhanden?

Jennifer Reckow
Jennifer Reckow – Change Expertin

Eine digitale Organisation ist nicht weniger komplex als das Arbeiten vor Ort und beinhaltet wesentlich mehr als nur das Abhalten von Zoom-Meetings. Eine so tiefgreifende Veränderung in der Arbeitsweise kann daher niemals einseitig nur unter den technischen Aspekten betrachtet werden. Es gibt noch viel zu tun für die Unternehmen, wenn sie wirklich nachhaltig als digitale Organisation agieren wollen.

WAS UNTERSCHEIDET SICH ÜBER DIE TECHNISCHEN ASPEKTE HINAUS?

Wir können ganz gelassen sagen, virtuelle Organisationen sind anders als klassische Organisationen. Dort sehen sich Führungskräfte und Mitarbeitende regelmäßig. Es haben sich Gewohnheiten und Vertrauensmuster eingeschlichen. Wir kennen die Arbeitsweisen und Eigenarten der Menschen. Wir sehen den Mitarbeitenden vor seinem Schreibtisch sitzen und wissen – „er arbeitet“.

Die Vorgesetzten werden beobachtet, wie sie im Konferenzraum verschwinden oder sich in den eigenen Büros treffen und die Mitarbeitenden wissen – „hier wird konferiert“. Wir sehen den Kollegen Kaffee holen und wissen – „ah, der morgendliche Kaffee“ und vielleicht sprechen wir ihn gar nicht erst an, weil es noch zu früh ist. Es gibt ungeplante Abstimmungen und einen direkten Austausch.

All das verschwindet: Diese Wahrnehmungskanäle sind gekappt in virtuellen Organisationen. Es gilt, die Aufgaben- und Verantwortungsverteilung sowie die Entscheidungsprozesse neu zu gestalten.

GELTEN VIRTUELLE ORGANISATIONEN NICHT ALS VORBILD FÜR ERFOLGREICHES UND MODERNES ARBEITEN? WIE IST DAS ÜBERHAUPT MÖGLICH, WENN SO VIELE WAHRNEHMUNGSKANÄLE ENTFALLEN?

Es gibt unzählige erfolgreiche Unternehmen mit virtuellen Organisationen. Jedoch hatten diese Zeit, sich zu entwickeln. Das ist heute anders.

In den modernen virtuellen Organisationen haben sich Vertrauensmuster sowie Zusammenarbeitsmodelle entwickelt. Auch hier kennen sich die Kollegen und man ist sich bewusst, welche „Routinen“ sie im Homeoffice haben. Zudem ist die digitale Affinität vorhanden, weil nur dies wirklich eine gemeinsame Arbeit ermöglicht. Videokonferenzen sind Normalität und gemeinsamer Zugriff auf Daten nicht wegzudenken.

In Unternehmen, die nur bedingt durch die Corona-Pandemie auf virtuelle Arbeitsmodelle umgestellt haben, bringen nicht unbedingt alle Mitarbeitenden diese Affinität mit. Vergessen wir dabei nicht, dass Kommunikation auch nicht gleich Zusammenarbeit ist. In virtuellen Organisationen gibt es sowohl eine andere Form der Aufgaben- und Verantwortungsverteilung, als auch eine höhere Klarheit über die Entscheidungsspielräume.

WAS BEDEUTET DAS FÜR DIE FÜHRUNGSEBENE? INWIEFERN MUSS IN VIRTUELLEN ORGANISATIONEN ANDERS GEFÜHRT WERDEN?

Das Arbeiten in virtuellen Organisationen gibt höhere Ansprüche an die Führung vor. Virtuell heißt nicht ohne Führung, ganz im Gegenteil. Die meisten Menschen wollen geführt werden, auch im Homeoffice. Ohne Frage nicht jeder gleich, daher ist die Kompetenz des situativen Führens auch die Königsdisziplin.

Die Menschen wurden durch Corona zudem in ihren Grundbedürfnissen erschüttert. Zugehörigkeit bedeutet Fürsorge und Zusammenhalt – auch in Unternehmen – das muss die Führung jetzt leisten. Es gilt, neue Vertrauensmuster zu entwickeln, die nicht auf Präsenz und Sichtbarkeit beruhen. Es ist wichtig, diese bewusst zu gestalten. Zudem muss der Informationsfluss stärker gesteuert werden. Die Informationsverteilung erfolgt nur noch digital und somit gilt es auf anderen Wegen sicherzustellen, dass alle Informationen die richtigen Empfänger erreichen.

HABEN SIE EMPFEHLUNGEN, WELCHE MASSNAHMEN UNTERNEHMEN ERGREIFEN SOLLTEN, DIE LANGFRISTIG, AUCH NACH DER PANDEMIE, ALS VIRTUELLE ORGANISATIONEN AGIEREN WOLLEN?
  • Treffen Sie bereits zu Beginn wegweisende Entscheidungen (Digitalisierung, Automatisierung, Sicherheit)
  • Schaffen Sie frühzeitig die notwendigen technischen Voraussetzungen
  • Finden Sie die notwendigen Vorreiter und Treiber auf allen Ebenen
  • Erzeugen Sie Freude an der Zusammenarbeit
  • Nehmen Sie alle mit – finden Sie alltägliche Anwendungsfälle, die funktionieren
  • Lassen Sie keine Ausnahmen zu – gehen Sie als Vorbild voran
  • Haben Sie Geduld – Veränderung braucht Zeit!
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