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Können wir mit der Digitalisierung noch Schritt halten?

05.01.2018

Egal welche Messe oder welches Unternehmertreffen, das Thema Digitalisierung ist branchenübergreifend in aller Munde: Der lang prognostizierte digitale Wandel hat uns längst eingeholt und dennoch sind viele Unternehmen und Organisationen schlecht vorbereitet. Doch wie kann man in einer Welt, in der sich die technischen Entwicklungen überschlagen, digitale Prozesse überhaupt noch vorausschauend planen? Antworten dazu gibt Jennifer Reckow im Interview!

Frau Reckow, die Digitalisierung treibt die Wirtschaft ja schon länger um. Trotzdem scheint der Druck auf Unternehmen, mit dem digitalen Wandel Schritt zu halten, akut anzusteigen. Warum ist das Thema ausgerechnet jetzt so brisant?

[JRE] Es kommen einfach mehrere Situationen parallel zusammen, die wir alle schon seit Langem voraussehen: Der demographische Wandel ist da und Engpässe können nicht mehr mit noch mehr Personal abgewendet werden.

/ Die Globalisierung und das Internet reduzieren Entfernungen und verkleinern die Welt. Wir haben heute den Anspruch, überall über alles informiert zu sein.

/ Die technologische Entwicklung schreitet so schnell fort, wie noch nie in der Weltgeschichte und um Marktführerschaft zu erhalten, sind noch mehr Innovation und Flexibilität gefragt. Nur wer Schritt hält, bleibt dabei. Denken wir nur an Nokia: Hatten wir nicht alle vor 10 Jahren Nokia Handys? Und mit dem Smartphone ist Nokia vom Markt verschwunden.

Wenn man also bedenkt, dass Digitalisierung für Unternehmen eine existenzielle Notwendigkeit ist, warum fehlt es noch so oft an der Umsetzungskraft?

[JRE] Der Wille ist da, jedoch wurden die notwendigen Voraussetzungen nicht geschaffen. Die Konjunktur und der steigende Wohlstand in unserem Land haben vielen Unternehmen ein Gefühl der Sicherheit gegeben. Schauen wir uns das klassische Zeitmanagement mit den vier Quadranten an, die wir alle kennen: WICHTIG – UNWICHTIG – DRINGEND – NICHT-DRINGEND. Die aufkommenden Herausforderungen waren schon immer wichtig, jedoch wurden sie nicht als dringend angesehen und vernachlässigt. Vorausschauendes Agieren heißt, auch immer neben den dringenden Aufgaben die wichtigen zu bearbeiten, bevor diese dringend werden. Wichtige Aufgaben für die genannten drei Herausforderungen wären gewesen:

/ Ausgewogene Personalpolitik und Organisationsentwicklung in Vorbereitung auf vier Generationen im Unternehmen, neue Anforderungen an Flexibilität und Eigenverantwortung, um die Arbeitgeberattraktivität zu steigern und Mitarbeiter zu binden.

/ Organisationsstruktur und -kultur auf die Anforderungen der Globalisierung vorzubereiten, d.h. prozessuale Organisationen schaffen mit einer entsprechenden Unternehmenskultur und klaren Strukturen.

/ Zu guter Letzt ist es notwendig, die Technologie auf dem aktuell notwendigen „state of the art“ zu halten. Das bedeutet stabile Infrastruktur, moderne Maschinen, entwicklungsfähige Anwendungen und Datenbanken.

Laut einer etventure Studie wollen zwar die meisten Geschäftsführer ihre Unternehmen digitalisieren, bei den Mitarbeitern herrscht allerdings große Unsicherheit. Die Menschen fürchten um ihre Arbeitsstellen, es mangelt auch am digitalen Know-how. Was kann man dagegen tun?

[JRE] Hier gilt es, die Menschen in die Entwicklung der Organisation und neuer Zusammenarbeitsmodelle mitzunehmen. Man muss den Ansprüchen der jeweiligen Generationen gerecht werden und die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Organisation als Erleichterung und Weiterentwicklung „vermarkten“.

Stichwort Automatisierung: Werden Menschen im Zuge der Entwicklung von künstlicher Intelligenz nur noch eine untergeordnete Rolle im Arbeitsprozess einnehmen?

[JRE] Die Rolle der Menschen im Arbeitsmarkt wird sich verändern. Die Automatisierung wird den Menschen in grundlegenden Tätigkeiten entlasten. Alleine im Transportwesen – privat wie gewerblich – wird zukünftig der Mensch immer weniger nötig sein. Auch im Gesundheitswesen stehen gravierende Revolutionen an. Eine weltweite Datenbank kann die Wechselwirkungen von Medikamenten schneller und realistischer bewerten als jeder Arzt. Somit gilt es, in der Gesellschaft hierfür an Konzepten zu arbeiten, um die Automatisierung für die Entlastung der Menschheit zu nutzen und sie nicht zu verteufeln.

Digitalisierung betrifft auch Sie selbst. Wie gehen Sie das Thema bei processline an?

[JRE] Für uns gibt es dabei zwei Perspektiven: Als Berater tun wir alles, um unseren Kunden immer ein bis zwei Schritte voraus zu sein, um somit in unseren Methoden und Konzepten wegweisend agieren zu können. In unserer eigenen Organisation prüfen wir immer wieder unsere digitalen Möglichkeiten und statten uns mit modernen Technologien und Systemen aus. Wir notieren alle Mitschriften direkt in unserem Document-Management-System „Sharepoint“ und die Kollegen können die Informationen in-time weiterverarbeiten.

Zu welchem Umsetzungsmodell für Digitalisierungsprozesse würden Sie raten: Aufbau einer internen Digitalisierungseinheit, die interne IT mit dem Prozess betrauen, eine Digital Officer-Stelle ausschreiben oder die Digitalisierung einfach externalisieren?

[JRE] Weder noch. Es gilt, die IT grundsätzlich neu zu gestalten und als einen festen Bestandteil in der Unternehmensstrategie und der Unternehmenssteuerung zu integrieren. IT-Leiter sollten heute einen engen Business-Bezug haben und ihre Aufstellung hinterfragen. Die klassischen IT-Strukturen sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Es fehlt dem alt bewährten Lauf von „PLAN – BUILD – RUN“ die Flexibilität und man neigt dazu, die Techniken, Themen und Dimensionen zu trennen, anstatt sie integriert zu betrachten und weiterzuentwickeln. Diese anstehenden Entwicklungen stellen auch eine große Herausforderung für den IT-Markt dar und wir freuen uns, dass Unternehmen wie computacenter und QSC eng mit uns zusammenarbeiten, um ihren Kunden auch in den organisatorischen Aufgabenstellungen zur Seite zu stehen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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