
„Es fehlt das Why“ – Wie eine einzige Frage ein Millionenprojekt neu aufstellte
In manchen Projekten liegt der Wendepunkt in einem Satz. Bei diesem war es:
„Ich verstehe, worauf Sie hinaus wollen, Frau Reckow – es fehlt das Why.“
Ein Satz, der nicht nur die Situation auf den Punkt brachte, sondern auch die Richtung des gesamten Projekts veränderte.
Der Rahmen: Ein Projekt, das festgefahren war
Der Vorstand eines unserer Kundenunternehmen war mein Gesprächspartner im Rahmen einer Standortanalyse. Es ging um ein Projekt, das seit vier Jahren lief, viel Geld gekostet hatte und nun drohte, zu scheitern. Konkret: Es ging um die unternehmensweite Umstellung des ERP-Systems in einem international tätigen Industrieunternehmen. Ein Millionenbetrag war bereits investiert worden, ein Rollout auf weitere Units stand bevor, doch statt Begeisterung herrschte Frust.
Die Unzufriedenheit reichte bis in die Führungsspitze. Auf Vorstandsebene hatte es mehrfach Wechsel gegeben, der Projektrahmen war unklar geworden. Die Kommunikation zum Projekt? Nahezu auf null. Das Projekt lebte noch, aber niemand wusste so recht, wofür. In diesem Zustand wurden wir beauftragt, eine Analyse aus Change-Management-Perspektive durchzuführen. Ziel: herausfinden, ob und wie sich das Projekt retten lässt. Und ob sich der weitere Rollout überhaupt noch lohnt.
Die entscheidende Frage
Im Gespräch fragte ich den Vorstand:
„Aus welchem Grund wurde das Projekt ursprünglich gestartet – und warum soll das System in weiteren Units eingeführt werden?“
Es entstand eine kurze Stille. Dann kam die Antwort:
„Ich verstehe, worauf Sie hinaus wollen, Frau Reckow – es fehlt das Why.“
Ein Moment, in dem plötzlich vieles klarer wurde.
Warum dieser Moment so wichtig war
An diesem Punkt hätte ich das Interview theoretisch beenden können. Denn genau hier lag der Kern des Problems: Ein Projekt ohne „Why“, ohne sichtbaren Sinn und ohne geteilte Geschichte. Natürlich habe ich das Gespräch fortgeführt. Aber dieser eine Satz war ein Wendepunkt, weil er das Bewusstsein dafür schärfte, woran es wirklich fehlte: Nicht an Technik, nicht an Planung, nicht an Ressourcen. Sondern an der Story. An der Verbindung zwischen Ziel, Motivation und Kommunikation.
Was dann passierte: Von der Erkenntnis zur Veränderung
In der Folge entstand Bereitschaft, das Projekt neu zu denken. Der Vorstand war bereit, Zeit und Aufmerksamkeit zu investieren, um die Change Story zu überprüfen und neu zu erzählen. Gemeinsam klärten wir zentrale Fragen:
- Was war ursprünglich der Auslöser für dieses Projekt und ist er noch aktuell?
- Welches Ziel verfolgen wir heute damit?
- Welchen konkreten Nutzen soll das System in Zukunft stiften?
Mit diesen Fragen konnten wir nicht nur die Unzufriedenheit aufarbeiten, sondern dem Projekt neuen Sinn und neue Richtung geben. Der Rahmen wurde geschärft, die Kommunikation neu ausgerichtet und das Projekt neu aufgesetzt.
Wie es weiterging? Das erzählt vielleicht einer von uns beim nächsten Mal. 😉
Fazit: Die Kraft einer einzigen Frage
Im Change Management geht es oft nicht darum, möglichst viele Antworten zu geben. Manchmal reicht eine einzige Frage, wenn sie den Kern trifft.
„Wozu machen wir das?“
Wer diese Frage nicht beantworten kann, wird kein Projekt erfolgreich führen. Wer den Mut hat, sie zu stellen, kann selbst festgefahrene Vorhaben wieder in Bewegung bringen.
Ihre Jennifer Reckow
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Über diese Kolumne
In unserer Reihe „Aus dem Leben eines Beraters“ geben unsere Beratenden persönliche Einblicke in ihren Arbeitsalltag. Sie schildern konkrete Situationen, Herausforderungen und Erfahrungen aus Projekten und zeigen, wie sie diese im Sinne unserer Kunden gemeistert haben.
👉 Zum Beraterprofil von Jennifer Reckow

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