Projekttermine ohne Beteiligung: und jetzt?
„Wenn so viele kurzfristig absagen, dann müssen wir den Termin absagen.“
Diese Aussage fiel in einem der regelmäßigen Projekttermine zwischen mir und einer Projektleiterin. Und sie kam nicht überraschend. Der Termin mit dem Projektkernteam stand kurz bevor, und immer mehr Absagen landeten in ihrem Postfach. Irgendwann war nur noch eine einzige Zusage übrig.
Worum es eigentlich ging
Das Projektkernteam bestand aus Führungskräften und Verantwortlichen. Menschen, die mit ihrer Beteiligung nicht nur Entscheidungen vorantreiben sollten, sondern auch das Projekt selbst mittragen. Ihre Anwesenheit war nicht symbolisch, sondern substanziell wichtig. Und doch war dieser Termin in Gefahr, wie schon viele zuvor.
Die Absagen kamen zahlreich, und jede einzelne bedeutete Stillstand. Denn Projektkernteam-Meetings waren nicht wöchentlich angesetzt. Wenn eines ausfiel, vergingen schnell mehrere Wochen bis zur nächsten Gelegenheit. Informationen gingen verloren. Themen mussten wiederholt werden. Die Beteiligten verloren Anschluss oder Motivation. Die Projektleiterin war sichtlich verunsichert. Ihre Reaktion: „Dann sagen wir eben ab. Macht ja keinen Sinn.“ Ein nachvollziehbarer Gedanke. Aber war er auch der richtige?
Statt Absage: Raum für Perspektivwechsel
Ich schwieg zunächst. Nicht aus Ratlosigkeit, sondern weil ich überlegte, was diese Entscheidung für Auswirkungen haben würde.
Was passiert mit der einen Person, die zugesagt hat?
Was signalisiert die Absage dem Projektteam?
Wie wirkt es, wenn immer wieder Termine verschoben oder gestrichen werden?
Ich stellte schließlich die Frage: „Nur mal angenommen, wir würden es nicht absagen …“
Ab diesem Moment war Raum da. Raum für Alternativen. Für Gestaltung. Für einen anderen Weg.
Die Intervention: Einfach machen
Wir entschieden uns, das Meeting durchzuführen. Mit einer Person. Nicht als Notlösung, sondern als bewusst gesetzter Arbeitstermin. Es wurde konkret, individuell, konstruktiv. Und noch mehr: Die Zeit bis zum nächsten regulären Projektkernteam-Termin nutzten wir für Einzelgespräche. Statt auf eine volle Runde zu warten, suchten wir gezielt den Austausch mit Beteiligten.
Das Ergebnis:
- Das Projekt blieb in Bewegung
- Themen wurden weiterbearbeitet
- Beteiligung entstand im Kleinen
- Und das Signal war klar: Dieses Projekt wird nicht gestoppt, nur weil andere nicht teilnehmen
Was wir gewonnen haben
Die Entscheidung, nicht abzusagen, hatte mehrere positive Effekte. Wir gewannen:
- Zeit für das Projekt
- Nähe zu den Beteiligten
- Verbindlichkeit im Handeln
- Klarheit im Signal: Es geht weiter, auch wenn nicht alle dabei sind
Manchmal reicht eine kleine Entscheidung, um den Unterschied zu machen. Und manchmal ist der Perspektivwechsel genau das, was ein Projekt wieder in den Tritt bringt.
Theoretischer Hintergrund
Organisationen neigen dazu, in vorgefertigten Mustern zu denken. Wenn ein Termin mit geringer Beteiligung droht, wird er abgesagt. Das erscheint vernünftig, ist aber nicht immer wirksam. Hier greift ein Prinzip aus dem lösungsorientierten Arbeiten: Möglichkeitsräume öffnen. Indem wir die gewohnte Logik hinterfragen, entsteht Raum für Alternativen. Und genau in diesen Räumen liegt oft der größte Hebel für Bewegung. Die Entscheidung, einen Termin dennoch stattfinden zu lassen, kann mehr bewirken als jede detaillierte Projektplanung. Sie schafft Verbindlichkeit, Präsenz und Vertrauen in die gemeinsame Arbeit.
Ihr Niklas Rakowski
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Über diese Kolumne
In unserer Reihe „Aus dem Leben eines Beraters“ geben unsere Beratenden persönliche Einblicke in ihren Arbeitsalltag. Sie schildern konkrete Situationen, Herausforderungen und Erfahrungen aus Projekten – und zeigen, wie sie diese im Sinne unserer Kunden gemeistert haben.
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