
Wenn Projekte untertauchen: Warum U-Boot-Projekte Unternehmen schwächen und was dagegen hilft
In der Kick-Off-Veranstaltung einer neu zusammengestellten Projektgruppe ging es kurz vor der Schlussrunde um die anstehende Zeitplanung und die dafür benötigten Kapazitäten. Bei nahezu allen Teilnehmenden war eine große Zurückhaltung zu spüren, sich auf fest vereinbarte Regeltermine zu einigen.
Die Besprechung war fast vorbei, als jemand leise sagte: „Ich habe keine Kraft, in dieses Projekt voll einzusteigen, weil es sicher bereits ein U-Boot-Projekt gibt, das schon weiter fortgeschritten ist.“
Ein Satz, der im Raum hängen blieb. Und der mehr über die Kultur eines Unternehmens verrät als jede PowerPoint-Folie.
Flurfunk statt offener Kommunikation
Oft haben Mitarbeitende – in bester Absicht – innerhalb bestehender Strukturen nicht von bereits vorhandenen Lösungen erfahren oder bei der Entwicklung neuer Ansätze zu wenig Unterstützung erhalten. Also haben sie selbst Initiative ergriffen und „Dinge in die Hand genommen“:
In vielen Organisationen gibt es sie: Projekte, die niemand offiziell kennt, die aber trotzdem laufen. Inoffiziell, unterhalb des Radars, initiiert von Einzelnen oder kleinen Gruppen. Mal im Flur besprochen, mal zwischen Teams abgestimmt, aber nie offen verankert. Solche sogenannten U-Boot-Projekte entstehen oft aus Frustration über langwierige Prozesse oder aus dem Gefühl heraus, dass in der offiziellen Struktur keine Unterstützung zu erwarten ist. Also machen sich Mitarbeitende selbst auf den Weg.
Wer mitgestalten will, wer Ideen hat und Verantwortung übernimmt, handelt aus einem positiven Impuls. Doch genau hier liegt auch die Schwierigkeit: Wenn solche Initiativen nicht sichtbar sind, fehlt ihnen der Kontakt zur Gesamtorganisation. Strategische Entscheidungen, Ressourcenverteilung oder bestehende Projekte werden nicht berücksichtigt – schlicht, weil niemand davon weiß.
Warum U-Boot-Projekte für Unternehmen gefährlich werden können
Die Risiken sind erheblich, vor allem, wenn solche Projekte unentdeckt bleiben oder scheitern:
- Blindflug: Strategische Ziele, Rahmenbedingungen oder wichtige Informationen fehlen oft. Die Lösung passt nicht zur Gesamtstrategie oder ist schlicht nicht umsetzbar.
- Ressourcenverpuffung: Zeit, Energie und Motivation versickern in Projekten ohne klare Perspektive.
- Projektmüdigkeit: Wenn informelle Projekte scheitern, bleibt Frust. Die Beteiligten ziehen sich zurück mit dem Gefühl: „Es bringt ja eh nichts.“
- Misstrauen statt Zusammenarbeit: Offizielle Teams fühlen sich übergangen oder unterwandert. Das schadet der Zusammenarbeit.
Warum diese Projekte trotzdem wichtig sind?
Trotz all dieser Risiken lohnt sich ein zweiter Blick. Denn U-Boot-Projekte sind nicht einfach nur ein Problem: sie sind auch ein Signal. Sie zeigen, dass in der Organisation Menschen unterwegs sind, die gestalten wollen. Dass es Energie, Ideen und Veränderungswillen gibt. Nur eben keinen sichtbaren Raum dafür.
Gerade in stark regulierten oder hierarchischen Organisationen können U-Boot-Projekte auch Hinweise darauf geben, wo bürokratische Strukturen Innovation verhindern oder Entscheidungswege zu unflexibel sind. Sie machen deutlich, wo Mitarbeitende Freiräume suchen und sie sich zur Not selbst schaffen.
Was Unternehmen tun können – und müssen?
Der konstruktive Umgang mit U-Boot-Projekten beginnt mit einer Grundhaltung: Offenheit statt Kontrolle, Dialog statt Sanktion. Diese Elemente sind entscheidend:
- Transparenz ermöglichen
Es braucht Räume, in denen Ideen frühzeitig sichtbar und besprechbar werden, ohne Risiko für die Beteiligten. - Projektlandschaften offen kommunizieren
Wer weiß, was schon läuft, muss nicht doppelt anfangen. - Psychologische Sicherheit stärken
Mitarbeitende müssen die Erfahrung machen: Es lohnt sich, Dinge offen anzusprechen, auch wenn sie noch nicht fertig oder offiziell sind. - Potenziale erkennen und integrieren
Gute Ideen brauchen nicht nur Zustimmung, sondern Struktur. Wenn U-Boot-Projekte etwas bewegen, sollten sie in offizielle Prozesse überführt werden. - Genau hinhören – gerade bei den Stillen
Nicht alle Innovation beginnt laut. Manche Veränderung wächst leise
Fazit: Zwischen Innovationsimpuls und Organisationsrisiko
U-Boot-Projekte sind kein Einzelfall, sondern ein weitverbreitetes Phänomen, besonders dort, wo Innovationsfreude und Bürokratie regelmäßig aufeinandertreffen. Für Unternehmen sind sie Chance und Warnsignal zugleich: Sie zeigen, wo Engagement entsteht und wo es versickert. Sie verweisen auf Energiequellen und auf strukturelle Schwächen.
Wer hinsieht, zuhört und integriert, kann aus verdeckten Initiativen echten Wandel machen. Wer wegsieht, riskiert Frust, Ressourcenverluste und kulturelle Erosion. In beiden Fällen gilt: Was unter der Wasseroberfläche geschieht, entscheidet mit über den Kurs der Organisation.
Ihre Stefanie Gutfrucht
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Über diese Kolumne
In unserer Reihe „Aus dem Leben eines Beraters“ geben unsere Beratenden persönliche Einblicke in ihren Arbeitsalltag. Sie schildern konkrete Situationen, Herausforderungen und Erfahrungen aus Projekten – und zeigen, wie sie diese im Sinne unserer Kunden gemeistert haben.

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